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Ab 23.August bin ich dann also wirklich "mitten drin", mitten drin in Indien. In Gajapathinagaram, einem kleinen Ort, der im Bundesstaat Andhra Pradesh in Südindien liegt, finde ich meinen Platz. Ich darf in einer Schule von den Salvatoriannerinnen als Musik- und Kunstlehrerin den Schulalltag der Klassen 1-7 mitgestalten, mit meinem Wissen über Computer beim Abtippen von Dokumenten und Prüfungsarbeiten helfen und in der Kindergartenstufe den Lehrerinnen unter die Arme greifen. Ich darf erleben, wie mich Kinder, die mich nicht kennen, mit Herzenswärme und einer unbeschreiblichen Offenheit aufnehmen, die mich einfach akzeptieren und mit einer einzigartigen Neugierde an Fremden und Unbekannten immer wieder bestärkten. An vielen Orten, nicht nur in der Schule, begegne ich diesem Interesse Neuem und Fremden gegenüber, das mir immer wieder Kraft und Mut gibt, in dieser oft so unpersönlichen, globalisierten Welt, wie ich sie bis dahin gekannt hatte, weiter zu machen. Leute die mich einfach so im Bus ansprechen, auf der Straße, im Postamt, auf dem Markt. Die einfach nur freundlich sind, die mir helfen wollen, weil sie sehen, dass ich z.B. ihre Sprache nicht spreche. Klar gilt es in erster Linie, die Neugier zu befriedigen, was denn diese weiße, große junge Mädchen ganz allein ohne ihre Familie in Indien macht und natürlich erhofft sich der ein oder andere einen "guten Kontakt in die westliche Welt", aber man kann auch spüren, dass es die "einfach freundlichen" gibt! Das ist eins der Dinge, die mich in Indien immer wieder faszinieren und in solchen Situationen, nehme ich mir auch oft für mich vor, Fremden und Ausländern in Deutschland ebenfalls so begegnen zu wollen.
Ebenfalls darf ich erleben und für mich lernen, dass Indien ein Land der Gegensätze ist. Und das gilt fast für alles. Auf engstem Raum findet sich Reich und Arm, Jung und Alt, üppige Vegetation und Steppenlandschaft, Fahrradrikscha und Mercedes der Luxusklasse, Autobahn und Schotterweg, Lehmhütte und Wolkenkratzer wieder. Und auch damit muss ich lernen zu leben.
Und eines der wichtigsten Dinge dieses Jahres für mich, war die Erfahrung des einfach "Mitlebens". Ich darf in einem fremden Land, 3500km weg von Familie und Freunden, weg von Heimat und Muttersprache, einfach leben. Neue Essgewohnheiten , Denkweisen, Kleidungsstile, Sprachen, Körperkulte, Geschichten, Menschen, Pflanzen, Häuser, die am Anfang so unendlich fremd erscheinen, werden mir mehr und mehr vertrauter, mehr und mehr finden sie Zugang zu mir und ich zu ihnen. Ich darf eintauchen in eine wahrlich neue Welt, von der ich aber auch weiß, dass ich nicht für immer in ihr leben kann. Es verankern sich viele Dinge in meinem Köper, in meinem Herz und in meiner Seele. Schöne Momente und traurige, wohlriechende und faulende Gerüche, freundliche und auch bösartige Gesichter.
Vieles klappt auch nicht immer so, wie es geplant ist. Ich habe überraschender Weise Probleme mit den Visa. Ich nehme vielleicht manche Sachen als zu selbstverständlich hin und vergessen, dass ich in Indien bin. Aber im Gesamtbild, ist und war dann doch alles wieder gut so, wie es kommt und kam.
Ich hatte eine Zeit, die mich mein Leben prägt und prägen wird , eine Zeit, die ich nie vergessen werden, eine Zeit, für die ich vielen Menschen und wohl auch Gott von Herzen dankbar sein muss. |